5. März 2015
Ich unternehme den zehnten Selbstsportversuch unmittelbar nach dem neunten – das alleine wäre Nachricht genug, aber zum einen habe ich Euch qualitativ arg verwöhnt, und zum anderen hat mich das Kunst-Rasen derart geschafft, dass ich zwischenzeitlich eine Verschnaufpause von 23 Monaten einlegen musste. Ich höre Euch bewundert aufschnaufen, dass ich es in so kurzer Zeit zur vollen Erringung meiner Kraft zurück geschafft habe, muss mich aber gegen Vorschussloorbeeren verwehren, als der Extremsportler, der ich bin.
Wohlan nun, ich weiß, was ich Euch schludrig bin und so komme ich kaum umhin, mich von Selbstsportversuch zu Selbstsportversuch immer weiter zu steigern, was natürlich auch eine Erhöhung der Lebensgefahr für mich beinhaltet. Wenigstens habe ich mich zum heutigen Hochtoxikations-Kegeln dem Anlass entsprechend in Schutzkleidung aus dem Ablass-Shop gezwängt, um – sollte dies heute mein Ende bedeuten – wenigstens wohl gekleidet abzutreten.
Ich steige begleitet von meinem sechsköpfigen Begleit-Team – trotz mannigfaltiger Warnhinweise (siehe Fotos), die sogar Wolverine und Captain America zum sofortigen Umkehren zwingen würden – ohne jegliche Furcht hinab, in die morastigen, und dank einiger, seit der Erbauung verstrichenen Zeit, ehrwürdig angegammelten Keller einer offiziellen Bundeskegelbahn – die Altvorderen werden sich erinnern. Sogleich werde ich empfangen von einer Geruchsmischung aus sich selbst befeuchtenden Duftstäbchen, kaltem, alten Zigarettenrauch, an Proberäume gemahnenden Schimmelodem und offener Klotür.
Mein, seit dem Biss einer radioaktiven Spinne unglaublich geschärfter, Spinnensinn warnt mich sogleich, dass hier und heute ungeahnte Gefahren auf mich lauern und natürlich rate ich meinen 5 Mitstreitern (einem hat es bereits auf der Kellertreppe die Furcht in die Glieder und ihn somit in die Flucht getrieben), sich immer einen Schritt hinter mir zu halten, bis ich die Lage sondiert und den Raum, den sie hier so lapidar “Kegelbahn” nennen, gesichert habe. Geschultes Auge, das ich bin, erkenne ich sofort, worum es hier geht: Hier geht es rund!
Alles was wichtig erscheint, ist hier unten nicht nichtig und klein, sondern kugelrund und schwer. Biergläser und die so genannten Kegelkugeln scheinen untrennbar miteinander verbunden und so sympathisiere ich sogleich ein klein wenig mit dieser harten und ursprünglichen Variante des stets so breiten Sports. Der Gefahr bewusst und ihr deshalb mit eiskaltem Blick ins Auge starrend, wähle ich als Kegelexekutionsobjekt Nummer 1 natürlich direkt die größte aller Kugeln aus. Spöttische Kegler – allesamt ängstliche Narren, wie mir scheint – behaupten zwar seit Angedenken der Zeitrechnung, dass es nicht auf die Größe, sondern die Technik ankäme, aber nur Pussies glauben dieses Kindermärchen.
Die seltsame Glocke da an dem Sicherungsgurt für Gefahrgut zwischen den beiden hölzernen Dingsen bedeutet übrigens, dass, sollte sie unbotmäßig bimmeln – ausgelöst durch mich, die Kugel, mich, meinen Schuh, mein Bierglas oder mich – ich sofort eine Runde an alle meine Mitstreiter würde geben müssen. Wer meine Crew kennt weiß, HIER lauert die wahre Gefahr an dieser Sportart. Sterben kann man nur einmal. Diesen Leuten etwas zu trinken kaufen – ein unendliches Unterfangen. Ich bin gewarnt.
Weiterhin gibt es diese gnadenlose Tafel, die ungnädig an jene gemahnt, die einst den Schulraum meiner glorreichen Karriere schmückten. Hier werden – als wäre das ganze Gekugel nicht schlimm genug – auch noch alle Ergebnisse und somit auch alle Verfehlungen – ganz wie eint in der bereits erwähnten Schule – festgehalten. Was alleine der feine Kreidestaub für einen Topathleten wie mich bedeuten kann, vermag ich hier gar zu schildern.
Dann geht alles ganz schnell. Bereits nach einer 60 Minuten währenden Yogaübung in der Nähe von Weißbier, bin ich bereit.
Ich greife die Monsterkugel, fokussiere mein Ziel. Ich bin hochkonzentriert, besonders an Alkohol. Ich nehme einen halben Schritt Anlauf. Reiße die Kugel mit dem rechten Arm nach hinten, während mein Körper derweil Großes vollbringt und meine gesamte Masse nach vorne schleudert. Alles wirbelt durcheinander. Die Zeit scheint still zu stehen. Ich höre Frauenstimmen in Panik kreischen, spüre, wie ich weg sacke, das Gewicht der riesengigantomanischen Kugel in meiner Hand, die diese partout nicht loslassen mag, in eine entgegengesetzte Rotationslaufbahn zu meinem Restkörper eintritt und das letzte was ich sehe, ist das eiskalte Neonlicht der brutalsten Bahn der Welt. Dann ist alles Schwarz.
Als ich rücklings auf dem harten Holz der nach innen geneigten Bahn wieder aufwache, und noch vage Erinnerungen an mein Nahtoderlebnis in Zeitlupe über meine Retina flimmern, ist der Spuk vorbei. Die Bahn hat gewonnen. Ich bin heilfroh, dass wieder einmal ich es war, der den ersten Wurf auf dieser, scheinbar vom Teufel höchstselbst erdachten Bahn gewagt habe.
Meine Bewertung nach Schulnoten:
Spaßfaktor: 2
Gesundheitsaspekt (GA): 6
Körperinterne Kalorienverbrennung (KiKav): 6
Weizenausgleichsfaktor (WAF): 1
Bock per Minute (BpM): 3
GESAMTNOTE: 3- • DREI
ERGO: Angesichts der enormen Gefahren, die Euch Normalsterblichen hier drohen, muss ich von dieser sogenannten Sportart abraten. Scheint es mir doch ein wenig mehr um dieses Bier, als um dieses Kugeln zu gehen. Wie auch immer, den Geruch bekomme ich wohl niemals mehr aus der Nase.
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