Ladies`n`Gentlemen, wer dieses Album nicht kennt, ist kein Banause, aber definitiv ärmer als ich, am geistigen Reichtum schmelzender Herzen aufgrund poetischer Texte, hart an der Kante gesellschaftlicher Narben und mitreißender, emotional beinahe zersetzender aber auch im Angesicht brachialster Zerstörungsanmutung immer positiver und konstruktiver Musik, die in der Tradition des Posthardcores, dessen ohnehin seit Jahren ausgeweitete Kampfzonen, mühelos in so vielfältiger Weise zerstäubt:
„Vheissu“ von Thrice – erschienen am 17. Oktober 2005.
Das Album soll spaßigen Gerüchten zu Folge – und das würde so perfekt in den humanistischen Kontext der gesamten Platte passen – nach der Aussprache-Wahrnehmung der Band der deutschen Frage „Wie heißt Du?“ benannt sein. In der Tat zitiert es jedoch die Novelle „V“ von Thomas Pynchon. Textzeilen wie „We are the named and we are known“ drücken das Gefühl einer zutiefst menschenliebenden, lebensbejaenden und stets latent technokratiefeindlichen Ausrichtung direkt im ersten Song aus und fordern mit einem geschrieenen „We are the image of the invisible“ zum gemeinschaftlichen, bewussten Blick in die Schatten auf.
Technisch sind Thrice ohnehin brillant, weswegen ich eigentlich kaum weiter auf die musikalischen Fähigkeiten dieses, den Mainstream immer gekonnt umschiffenden, Quartetts eingehen muss. Die vier Ausnahmemusiker Dustin Kensrue (Voc/Git), Teppei Teranishi (Git) und die Brüder Eddie Breckenridge (Bass) und Riley Breckenridge (Drums) eint zum einen vielmehr der Glaube an das eigene Können, die Vision eines menschlicheren Zusammenlebens und der Wille mit jeder Platte etwas Besonderes mit Inhalt zu erschaffen, ohne Rücksichten auf die Genrepolizei oder aktuelle Strömungen. Beim ersten Hören vermeindlich sperrig, reiht „Vheissu“ einen absoluten Ohrwurm an den nächsten. Vertrackte Takte versüßen das Vergnügen, die Songs auch bei mehrmaligem Hören nicht sofort in Gänze zu durchschauen, jedoch von Anfang an zu fühlen. So ist dies auch der beste Zugang zum Album: Kopfhörer auf und erst einmal versonnen lauschen und sich immer tiefer in den Sog der intensiven Kompositionen ziehen lassen. Erst bei den nächsten Durchgängen sollte man sich mit den exzellenten Texten von Kensrue beschäftigen, den hier macht die Band eine weitere, tiefere Ebene auf. Beides, Musikgewalt wie auch die niemals überambitionierten, aber stets äußerts gehaltvollen Texte, verschmelzen in den 11 Songs, die einem nicht zuletzt durch das geschickte Arrangement zwischen den einzelnen Stücken vorkommen können, wie dreimal so viele, zu einem Erlebnis der Extraklasse.
Einer meiner Höhepunkte eskaliert bereits bei Song Nummer 5, dem intensiven „For Miles“. Während sich die ersten Zweidrittel des Songs in wahrhaften Emotionsstürmen der eher ruhigen Art suhlen und den Hörer auf eine fantastische Reise mitnehmen, bricht im letzten Drittel die Hölle los. Kensrue, der zudem über eine brillante Singstimme verfügt, schreit aus vollem Herzen los und das in einer Intensität, die zu Tränen rühren kann. Das Ende des Songs ist so aufgewühlt, dass Thrice es nicht einmal versuchen ihn wieder in die ruhigen Gefilde des Anfangs zurückzuführen, sondern ihn stattdessen – für sie äußerst ungewöhnlich – ausblenden. Nicht jedoch ohne ihn mit dem darauf folgenden „Hold Fast Hope“ in Sachen Härte und Kompromisslosigkeit wieder zu zitieren. Auf „Vheissu“ reihen sich Glockenspiele an Moshparts, zarte Obertöne werden von heftigen Grunts hinweggefegt, nur um sogleich von wärmenden Sounds voller Hall umspült und getröstet zu werden.
Diese Platte berührt mein Herz – die Musik, die Lyrics, die Produktion, das Artwork. Hier passt einfach alles zusammen. Und obschon jedes der bislang 8 kompletten Thrice-Alben ein Genuss für sich ist und war, setzt das vieret, eben „Vheissu“ für mich den Meilenstein ihrer Karriere, der alles beinhaltet wofür diese Band steht.
Und ich schließe mit einem Zitat aus „For Miles“, welches beinahe kitschig klingen mag, aber im Kontext dieses Songs einfach nur Gänsehaut hervorruft:
“ … and as long as we live, every scar is a bridge to someone’s broken heart
and there’s no greater love, than that one shed his blood for his friends …“
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