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Gerade diese Woche – gestern – hat es sich wieder einmal gezeigt: Du liest den Dingen nur vor den Kopf. Tragischerweise in diesem Fall gerade auf Twitter. Jenem Medium, welches ich nur allzu gerne als DAS Ding hochjubele. Als DIE Plattform, die ich bitte als letzte von allen abgeschaltet sehen möchte. Aber das ist nur normal, treibe ich mich hier doch intensiver und öfter herum als sonst wo. 

DER FALL

Einer meiner Follower, dem ich seit gewiss über einem Jahr ebenfalls folgte, der auch nicht wirklich hundertprozentig das schrieb, was ich unbedingt hätte lesen wollen, aber tolerabel und mitunter witzig war, meinte einen meiner morgendlichen Tweets, geschrieben nach Genuss der Morgennachrichten, auf politische Korrektheit untersuchen zu müssen. Ich war der Meinung, dass „der Deutsche an sich“ (diese Formulierung spielte dann die korinthenkackende Hauptrolle) „Flüchtlinge scheinbar mit Kriminellen verwechseln“ würde.

Ich kann ja sehr gut damit leben, wenn man mir die unzulängliche Verallgemeinerung dieser Aussage ankreidet und darauf hinweist, dass es auch andere Deutsche gibt – abgesehen davon, dass ich dieses ja sehr genau weiß, da ich selber ja nun auch arg anders denke. Nun kam mir der besagte Twitterer aber derart aggressiv und mit einer schnell deutlichen Tendenz, dass mir ob der Tatsache, dass ich diesen Menschen bisher nur als Komik-Account wahrgenommen hatte, arg schlecht wurde angesichts seiner politischen Überzeugung.

DIE VEHEMENZ

Ich bin nun einmal so, ich kann kaum anders, also habe ich ihn in einer etwa 90 Minuten dauernden Tweetschlacht versucht zu überzeugen, was meine Intention hinter meiner Aussage „der Deutsche an sich“ gewesen ist – oder habe ich vielleicht eher versucht nicht wahr zu haben, dass ich hier schon sehr lange einem gut getarnten, aber nichtsdestotrotz übel rechts verorteten Twitterer gefolgt bin, den ich schlicht als – wenn auch simplen – Clown wahrnahm? Nun ja, nachdem er mir dann in immer kürzer werdenden Intervallen und beständig härter werdendem Ton vorwarf, einer dieser „ekelhaften linken Gutmenschen“ zu sein – in seinem Kosmos offensichtlich ein gaaaanz böses Schimpfwort – beschloss ich dann doch unsere Bekanntschaft in die nahe Zukunft gerichtet temporär zu begrenzen und ließ das Ganze verbal etwas auslaufen.

Dies veranlasste ihn natürlich dazu, immer weiter nachzutreten und mir – wie beim „Leben des Brian“ – eigentlich aus jeder meiner weiteren Aussagen, einen Beweis für seine Rechthaberei zu finden, was dann aber auch schon egal war. Ich war gar nicht mal enttäuscht über ihn – schließlich verhielt er sich ja so, wie es diese latent rassistischen, Pegida angehauchten Menschen nun einmal tun, wenn sie sich im Recht wähnen.

DIE WUT

Ich war wütend auf mich, dass ich nicht ab und an einmal zwischen den kalauernden Zeilen gelesen und meine Schlüsse über diesen Menschen gezogen habe und ihm entfolgt bin. Vielleicht ist das, was man bewusst lesen kann, doch begrenzt. Vielleicht muss man seinen Kosmos kleiner fassen. Aber im Grunde will ich das gar nicht. Ich möchte Vielfalt, ich möchte Auswahl, ich möchte Meinung.

DIE LÖSUNG

Aber in diesem einen Fall war es dann am Ende dieser erleuchtenden 90 Minuten doch ein Leichtes, den Unfollow-Button zu drücken. Und im Gegensatz zu ihm, werde ich nie mehr sein Profil anklicken. Immerhin schaue ich dann nun doch noch genauer hin, wen ich lese.

Und was Euch Guten und Aufrechte betrifft, Euch Offene und Freiheitsliebende, Euch Pluralisten und Demokraten, Euch Utopisten und Humanisten, Euch Menschenfreunde und Fantasten, ich liebe es Euch zu lesen – schön Euch hier gefunden zu haben!