Wenn ein Mensch, ein Kunde, das Produkt einer Marke kauft, so soll diese immer auch den ihr innewohnenden Glanz, ihre imagetragenden Eigenschaften auf ihn abstrahlen. Handelt es sich um eine Lifestylemarke, ist dies sogar ihre hauptsächliche Aufgabe. Die tatsächlichen, real beschreibbaren und technisch immanenten Produktvorteile müssen hier umso weiter in den Wahrnehmungshintergrund treten, desto aufgeladener das betreffende Produkt mit ideellen und subjektiven Attributen daherkommt. Der Käufer wird zum Fan – in schlimmeren Fällen sogar zum Abhängigen in einem religiös verblendeten Sinn – und trägt jenes seine eigene Wahrnehmung auf sich selber enorm steigernde Produkt voller Stolz gut sichtbar mit sich herum, selbst oder gerade auch, wenn es sich nicht um ein Kleidungsstück handelt. Soweit so gut. Die verehrten Wirtschaftler würden sich in einer Win-Win-Situation wähnen und frohlocken.
Nun gibt es jedoch jene Differenz zwischen von Käuferseite gewollter und real gefühlter Abstrahlung und der andererseits ebenfalls realen Aufnahme des Markenglanzes bei Dritten, bei den Rezipienten des Schauspiels. Und ein solches ist es nur all zu oft, wenn sich Markenjünger mit dem Objekt, dem Logo ihrer Begehrlichkeit in die Öffentlichkeit begeben, selbstsicher und behütet durch ein überbodenes, aber eben nur geliehenes Selbstbewusstsein, ihr eigenes Ich mit Imageversprechen aufgeladen durch die Realität chauffieren. Der leuchtende Apfel, der flachste Tablet-PC, das schlichteste Smartphone verschaffen seinem Besitzer gefühlt jene zusätzliche Begehrlichkeit, die das eigene Sein seinem Träger bislang versagt hat. Der mühevoll – und teuer – geshapte Body mit dem perfekten und selbstverständlich sichtbaren BMI wird erst perfekt durch den geleasten Sportwagen, der ihm den richtigen Auftritt verschafft. Ausstrahlung auf Pump. Dieses auf den ersten Blick inhaltsarme Verhalten verfehlt seine Wirkung definitiv fast niemals bei Menschen, die ähnlich ticken, wie der Imageträger, denen der konsumierbare Artikel, gleich welcher Couleur, ebenfalls Halt und Sicherheit verleiht, die Marken wie Parfüm tragen. Nachvollziehbar – umgibt man sich doch auch eher mit seinesgleichen, sucht die gleichen Lokalitäten auf, wie die Menschen denen man imponieren möchte und die einen imponieren, mit denen man sich in einem ständigen Schauwettkampf befindet, die man zu übertrumpfen das letzte monetäre Hemd zu geben bereit ist, solange es den eigenen Glanz heller erscheinen lässt.
Leider hat jede Bewegung seine Gegenbewegung. Jede Marke seine Antimarke. Spiderman hat Venom, Apple hat Windows, Facebook hat Twitter. Und nun wird es spannend. Denn in der jeweils anderen Szenerie, im beinahe weltbildlichen Zusammenhang des Konträren verliert die auf der einen Seite unglaublich wertvolle, teure und Beifall fördernde Marke mit einem Schlag all ihre Strahlkraft und jeglichen Wert, sobald sie auf der anderen Seite wahrgenommen wird. Die Vorzeichen kehren sich um. Was gerade noch in der eigenen Umgebung den eigenen Status enorm beflügelt und gefestigt hat, lässt einen nun von jetzt auf gleich zum Hanswurst werden, der sich sein nicht selten zu kleines Ego mittels Marken hat aufspritzen lassen. Die Intensität der Wahrnehmung leidet darunter in keiner Weise, denn Feindbilder sind beinahe noch stärker als das Vertraute. Jeder nimmt die vermeidlich feindliche und hassenswerte Marke beinahe stärker wahr, als die selbst begehrte.
Spannenderweise kann man diesen Prozess in jeglichem sozialen Umfeld beobachten. Hier geht es nicht um Schichten, soziale Klassen oder kulturelle Determination. Das fängt bei Biermarken an, geht über die Devotionalien von Fußballvereinen – hier bereits sogar auf Stadtteilniveau – hört bei Musikinstrumenten noch lange nicht auf, findet einen perversen Peak bei Unterhaltungselektronik, spaltet ganz eklatant bei Musikstilen und deren Protagonisten und endet nicht bei Kraftfahrzeugen, Bekleidungsfirmen oder Nahrungsmitteln. Natürlich geht es auch immer darum, wie wertvoll sich eine Marke, ganz simpel im Sinne des Preises, darstellt. Aber das Phänomen auf diesen einen Punkt zu reduzieren wäre zu simpel. Nicht jeder, der sich einen BMW leisten könnte, tut dies auch. Unabhängig vom Preis steht hinter jedem Produkt mittlerweile eine Weltanschauung und Marken clustern sich zu Markenweltbildern. Ich könnte zwar nun die Theorie aufmachen, dass das Kaufen von Strahlkraft, also das Bedienen an fremder Leistung zur Steigerung des eigenen Status umso weiter verbreitet ist, desto kleiner das real vorhandene Ego des Betreffenden sich darstellt, aber zum einen wäre dies sogar mir zu simpel und zum anderen ist es in der Tat weitaus komplizierter. Dennoch setze ich letztgenannte Theorie als noch abzustufendes Massenphänomen bedingt voraus.
Fakt ist, dass die Halbwertzeit der gekauften Markenstrahlkraft ohnehin ausschließlich in der eigenen soziologisch angepassten Umgebung funktioniert. Verlässt man dieses sichere Terrain, nützt einem keine Marke der Welt, um die Lücken der Unsicherheit wettzumachen und mit Glanz zu kitten. Dies zu verstehen, besser einzusehen, fällt jedoch logischerweise unglaublich schwer, ist doch die eigene Wahrnehmung immer noch dieselbe. Deshalb gibt es sie ja auch, die zum Teil peinlichen Momente, in denen allen, außer dem Markenjunkie selber bewusst ist, welche arme Wurst sich gerade mit Hilfe gekauften Respekts durch den Moment laviert – aber auch die erhebenden Momente, die einen auf sich selbst bezogen eine Art perversen Frieden finden lassen, wenn man es schafft, das eigene Verhalten, die eigene Zurschaustellung einer Meinung, untermauert durch die dieses Verhalten unterstützende Marke als jene Stärke oder Weitsicht zu sehen, die nicht zu haben man den anderen – bestenfalls der Masse – unterstellt.
Ich möchte hier weder über die Marken urteilen, die sich dieses psychologische Manko ihrer Kunden zunutze machen, noch über die Menschen, die sich ihres Verhaltens zumeist durchaus bewusst in diese spannende, bezahlbare Abhängigkeit begeben, aber eben auch genau das zurückbekommen, was sie ansonsten vermissen müssten, gehöre doch auch ich zu irgendeiner Clique oder Anti-Clique von Verbrauchern. Und so bejubel ich den Umstand des Abglanzes definitiv und möchte ihn und all seine Begleiterscheinungen, skuril oder peinlich, lachhaft oder ehrenwert, nicht missen.
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