DIY-Management in Sachen Punk & Anarchie
Ein typisches, von vorneherein auf Kurzlebigkeit ausgerichtetes Projekt jener Zeit – 1991. Die Promotion-Agentur Kirschwasser-Promotions – benannt nach einem damals äußerst beliebten Getränk in der damals heftig frequentierten inoffiziellen Homebase von Vanishing Line, diversen Theater-Gruppen oder der F.F.F.F., „Kliems Kleiner Kneipe“ – gründete sich im Prinzip ausschließlich um einen einzigen Auftritt der legendären Spontan- und Improvisationsbands KackRaids, Leck`n Ey und Art Garfunkel & His Skinny Norris zu veranstalten.
Bestehen
1991
Betreute Künstler
KackRAids
Leck`n Ey
Art Garfunkel & his Skinny Norris
Inhaber
Markus G. Sänger
v.l.n.r. KackRaids, Leck`n Ey, Markus Sänger, Gastsänger Sven F. (alle Fotos auf dieser Seite sind vom großartigen Marco Nagel)
Das inzwischen wahrhaft legendäre Konzert der drei Kirschwasser-Promotions-Bands fand unter heute vielleicht seltsam anmutenden Umständen statt, was aber der sehr extremen Show des Top-Acts und dessen Forderungen geschuldet war.
Der Eintritt zum Konzert – die Location war der recht große Proberaum der Waverockband Friday Is Scrapped“ – wurde nicht in Form von Geld erhoben. Die Besucher wurden, ganz im Sinne der radikalen Experimental-Einmann-Punkband KackRaids, aufgefordert, eine Dose Hansapils und eine Leberwurststulle mitzubringen, was dann auch alle taten. Die besondere Besonderheit jedoch war die Tatsache, dass auf Wunsch von KackRaids nur Männer zum Konzert zugelassen waren. Diejenigen die damals Zeuge dieses Ereignisses wurden, wissen auch heute noch gut, warum dieser auf den ersten Blick seltsame Wunsch des Künstlers mehr als verständlich war.
Von den Vorbands aufgeheizt fieberten die Anwesenden in dem inzwischen bereits sauerstoffarmen Clubraum dem Höhepunkt des Abends entgegen. Endlich betrat der optisch stets an den frühen Morrissey erinnernde KackRaids die – ganz DIY-Tradition – sehr flache Bühne. Aus rechtlichen wir jugendschutztechnischen Gründen dürfen die meisten seiner zahlreichen Hits, mit Ausnahme von „Wenn ich ein Vöglein wär“ heute noch immer nicht abgedruckt werden, darum sei hier nur gesagt: er hat sie alle gespielt.
Bereits beim 2. Song wurde die eigens zum Stagediving bereitgestellte Apfelsinenkiste zahlreich angenommen. Während des fulminanten Konzerts, des sich selber auf der Basedrum untertützenden, singenden Gitarristen, kamen auch die Openerbands, sowie der Promoter auf die Bühne um gemeinsam den Ohrwum „Die chinesische Schubkarre“ zu performen.
Art Garfunkel & His Skinny Norris
Den Anfang des Konzerts bestritt Art Garfunkel & His Skinny Norris, aka Holger Kliem (Ex-Vanishing Line, damals Sänger und Bassist von Friday Is Scrapped). Ganz im Stile des sendungsbewußten Singer-Songwriters gab er sehr persönliche Texte zum Besten, die das aufmerksame Publikum sofort in den Bann zogen. Unterstützt wurde er bei 2 seiner Songs spontan vom Friday Is Scrapped-Drummer Markus Sänger.
Leck`n Ey (rechts im Bild), hier unterstützt von KackRaids
Den zweiten Anheizer an diesem Abend machte der Experimental-Noise-Corer Leck`n Ey, der es verstand das geneigte Publikum ausschließlich mit Basedrum, Crashbecken und Gesang zu fesseln. Leck`n Ey verband auf eine ungestüm unvoreingenommene Art sozialkritische Texte der Billy Bragg-Schule mit der Energie des frühen Hardcore. Bei seinem selbstbetitelten Megahit „Leck`n Ey“ kam KackRaids auf die Bühne, um seinen Freund lautstark zu unterstützen und sich auf seinen Gig einzustimmen.
Der Top-Act KackRAids
Es gehörte zur KackRAids-Philosophie, dass die Gitarre erst während des bereits weit fortgeschrittenen Gigs und dann auch noch im laufenden Song gestimmt wurde.
Das rund 40 Minuten anhaltende Dauerfeuer aus Singalongs, ruppigen aber messerscharfen Gesellschaftsbeobachtungen und Hymnen, die noch Jahre später den Menschen geläufig sein und über die Lippen kommen sollten, endete in einem Knalleffekt der Showtechnik. Die Details wiederum sind in den Herzen der Anwesenden für immer verschlossen und dürfen aus personenschutztechnischen Gründen hier ebenfalls nicht abgedruckt werden.
Nach also rund 2 Stunden Leberwurststullen, exzessiven Konsums aller möglichen Genusswaren und Mitsingens, gingen die Konzertbesucher ermattet aber zufrieden ihrer Wege, wohl wissend, dass sie hier Zeuge einer in allen Belangen einmaligen Show geworden waren.
Direkt nach dem Konzert, unterbrochen von der Suche des plötzlich verschollenen Top-Acts, lösten sich alle beteilligten Bands des Abends, sowie Kirschwasser-Promotions mit sofortiger Wirkung im „Klim-Bim“ in Witten unwiderruflich auf.