LUZIFER SAM ist eine Gothicmetal- / Darkrockband aus dem Ruhrgebiet, die zwischen 1991 und 1998 zwei Demos, eine EP und zwei Alben heraus gebracht hat. Die Vorläuferband der heutigen PORTER.
Die beiden Alben „Alice Dee“ (1995) und „Luzidity“ (1997) sind bei Humbucker Music und Semaphore erschienen.
Wirkungszeitraum: 1992 – 1998, 2024 …
DIE GESCHICHTE:
Nach Auflösung der nur ein Jahr existierenden Wittener Waverock-Band Friday Is Scrapped gründeten Holger Kliem, Lars Daum, Frank Stewen und Markus G. Sänger im Juni 1992 die Band Luzifer Sam. Im Sommer 1993 entstand in Eigenregie im Hagener Banana-Studio das Acht-Spur-Demo A Failed Effort to Putsch mit vier Liedern, welche textlich zum Teil eine direkte Reaktion auf die damaligen fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland waren. Die Band tourte daraufhin im westdeutschen Raum und nahm 1994, ebenfalls in Eigenregie, das zweite Demo Shiver auf. Über Umwege gelangte dieses in die Hände des Produzenten und Gitarristen Axel Ritt, der sich mit der deutschen Hardrockband Domain einen Namen gemacht hatte und der Luzifer Sam daraufhin unter Vertrag für sein LabelHumbucker Music nahm. Im gleichen Jahr stieß Till Böing als Bassist zur Band, so dass Kliem sich fortan ausschließlich dem Gesang widmete. Unter Ritts Regie entstand im August 1995 das Debütalbum Alice Dee in den Finian’s Rainbow-Studios in Unna. Den akustischen Song Unknown Doors nahm die Gruppe in einem stillgelegten Dortmunder Öltank auf, wodurch ein eigenwilliger Hall entstand. Das Album erschien bei Humbucker Music/Semaphore.
Nach vielen Konzerten und einigen Samplerbeiträgen, u. a. die Rock-Hard-CD-Beilage, ging die Band im März 1997 in Weiterstadt erneut mit Axel Ritt ins Studio und nahm das zweite Album Luzidity auf, welches für größtenteils positive Kritiken sorgte,[1] wodurch die Band größere Auftritte im deutschsprachigen Raum absolvieren konnte, unter anderem ein Auftritt als Headliner bei einem Festival in der Kulturfabrik im luxemburgischen Esch-sur-Alzette.
1998 löste sich die Band aufgrund der fehlenden Zeit, die Karriere weiter professionell betreiben zu können, auf. Die beiden Gitarristen sowie der Schlagzeuger spielen seit 2000 bei der Dortmunder Alternative-Rock-Band Porter. Sänger Holger Kliem widmete sich nach der Band seinem Soloprojekt Strange Eden.
Holger Kliem – Gesang (und Bass bis 1994)
(Ex-Friday Is Scrapped, heute Strange Eden)
Lars Daum – Gitarre
(Ex-Friday Is Scrapped, heute Porter)
Frank Stewen – Gitarre
(Ex-Friday Is Scrapped, heute Porter)
Till Böing – Bass (ab 1994)
(Ex-Splutter)
Markus G. Sänger – Schlagzeug
(Ex-Friday Is Scrapped, heute Porter)
Die englischsprachigen Lieder orientierten sich stilistisch an unterschiedlichen Vorbildern wie Danzig, The Sisters of Mercy, Fields of the Nephilim oder Joy Division. Im deutschen Metalmagazin Rock Hard wird die Musik der Gruppe als derart gestaltete Verbindung „typischer Frühachtziger Wave-Sounds der Marke The Mission, Sisters Of Mercy und Killing Joke mit hart rockenden Gitarren“ beschrieben.[1]
Das markante Stilmittel der Band sind die zweistimmigen Gitarrenlinien sowie der melodische und schwermütige Gesang von Frontmann Holger Kliem, den laut eines Musikmagazins eine beunruhigende Stille auszeichnet. Die Texte sind zumeist sozialkritisch oder befassen sich mit zwischenmenschlichen Abgründen.
- 1993: A Failed Effort to Putsch (Demo, Eigenproduktion)
- 1995: Shiver (Demo, Eigenproduktion)
- 1995: Alice Dee (Album, Humbucker Music / Semaphore)
- 1997: Luzidity (Album, Humbucker Music / Semaphore)
Songs von Luzifer Sam
Aus rechtlichen Gründen können hier auf der Seite nur die Demos und Liveaufnahmen angehört werden. Die Alben sind dann auf Spotify und Amazon verlinkt.
Dark Substance / Disfigured Age
Time And Again / Alice Dee
Disfigured Age | live 1993
Der Song erscheint bereits 1993 auf dem Demo „A FAILED EFFORT TO PUTSCH“ und später noch einmal 1995 in der Albumversion auf „ALICE DEE“.
Shiver
Die Songs sind „Desert World“, „Motion Of Death“, welches später einen Platz auf der ersten CD „ALICE DEE“ (1995 bei Humbucker Music/Semaphore) erscheinen sollte, das elegische und titelgebende „Shiver“ sowie das vierte Stück „Regression“.
Der Sound ist definitiv eine – sagen wir seltsame – Ausnahme unter allen anderen LUZIFER SAM-Recordings, aber immerhin erfüllte das Demo seinen Zweck, nämlich Auftritte zu bekommen. Und die gab es 1994 zu Hauf. Ein sehr gutes Livejahr für die Band.
Das legendäre Dokument des Abends am 25.11.1993 in der LUZIFER SAM Stammkneipe Klimbim in Witten.
An diesem Abend wurde mittels eines ausgeklügelten Punktesystems und 1, 2 Bier festgelegt, welche Songs sich auf dem 1994er Demo „Shiver“ befinden sollten.
Zur Wahl standen:
Here Comes Blasphemy
God Of Dismay
Millennium
Silent Grave
It`s A Sin
Alice Dee
Embryonic Womb Walk
Dark Substance
Beyond The Lines
Time And Again
Bones
Shiver
Regression
Motion Of Death (Totentanz)
Step Inside
Desert World
Disfigured Age
Return To Hate
Und außer Konkurrenz:
Tu ma wat Pannas bei die Butters (sonst geh ich im Keller dabei kaputt)
Rezensionen und Co.
LUZIFER SAM „Alice Dee“
Label: Humbucker Music
Vertrieb: Semaphore
Allzuviel gibt das der CD beiliegende Info nicht her. U.a. ist da die Rede von ’schwermütigem Großstadt-Rock‘. Eine musikalische Einordnung, die ich als vehementer Verfechter ländlicher Idylle so nicht nachvollziehen kann, deshalb aber auch nicht in Frage stellen will. (Aha. Dann ist ‚Schäfer‘ also dein Künstlername. Jetzt möchten wir natürlich zu gerne wissen, wie du wirklich heißt… – Red.) Meines Erachtens wandelt der teutonische Fünfer auf Dark Wave-Pfaden mit dezent eingestreuten Ausflügen ins Terrain klassischer Mainstream-Rock-Kultur. Ist nicht von schlechten Eltern, wenngleich tollen Songs wie ‚Time And Again‘ oder ‚Dark Substance‘ Rohrkrepierer wie ‚Embryonic Womb Walk‘ oder musikalische Fragezeichen wie der Titelsong gegenüberstehen. Alles in allem halten sich die beiden Extreme in etwa die Waage. Am ehesten dürften sich hier noch Leute angesprochen fühlen, die auf eine softere Version von Kapellen wie Love Like Blood oder Secret Discovery stehen. Nicht uninteressant.
Verfasser: Wolfgang Schäfer
Note: 6,5
RH-Ausgabe: Heft Nr. 105
VÖ-Jahr: 1995
durchschn. Lesernote: 8
LUZIFER SAM „Luzidity“
Label: Humbucker Music
Vertrieb: Semaphore
Nach ihrem kompositorisch recht durchwachsenen ’95er Debüt „Alice Dee“ haben LUZIFER SAM mit „Luzidity“ ihre Stärken ausgelotet, die eindeutig im Verbinden typischer Frühachtziger Wave-Sounds der Marke The Mission, Sisters Of Mercy und Killing Joke mit hart rockenden Gitarren liegen. Nachzuhören vor allem auf den eröffnenden ‘Ancient Stories’ und ‘Cold Season’ sowie den Rausschmeißern ‘Burst Out’ und ‘Existence’, die mit kernigen Riffs und eingängigen Melodien gesegnet sind und Laune machen. Ein geschicktes Händchen hat man auch beim Remake des Eurythmics-Smashers ‘Here Comes The Rain Again’ bewiesen. Zwar muß man ein paar Durchhänger in Kauf nehmen – das schlafmützige ‘Care’ beispielsweise hätte man sich getrost schenken können -, ansonsten jedoch läßt das druckvoll produzierte Teil kaum Wünsche offen. Gut!
Verfasser: Wolfgang Schäfer
Note: 7 (von 10)
RH-Ausgabe: Heft Nr. 124
VÖ-Jahr: 1997
durchschn. Lesernote: 9.
LUZIFER SAM „Alice Dee“
Luzifer Sam passen eigentlich eher ins Dark Wave-Lager als zum Metalvolk, verstehen es aber, mit hymneartigen Songs („Disfigured Age“, „Motion Of Death“) auch Leute letzterer Schicht anzusprechen und für sich zu gewinnen. Eine hörenswerte Mischung aus Sisters Of Mercy, Heroes Del Silencio und ein bißchen Type O Negative.
Wertung: 4 Punkte (von 7)
(Volker Raabe)
HORRO INFERNAL
LUZIFER SAM „Alice Dee“
Ich wußte es doch, daß auch noch gute Newcomer aus dem Ruhrpott kommen können. Mit LUZIFER SAM, benannt nach einer Katze aus einem PINK FLOYD Song, meldet sich eine Band zu Wort, die es geschafft hat einen eigenen Stil zu kreieren. Musikalisch sind sie im Metal/Hardrock Bereich anzusiedeln und doch gibt es einen großen Unterschied zwischen ihnen und anderen Hardrock Bands. Es ist der Sänger, der in seiner Art und Weise an Andrew Eldrigde von den SISTERS OF MERCY erinnert. Er singt in derselben, unglaublich tiefen Stimmlage und man glaubt, er würde jemanden Anklagen, da in seiner Stimme immer eine Spur Schwermut mitschwingt. Mit Schwermut meine ich nicht ein Kurt Cobain Gejammer, daß einem in kürzester Zeit die Schuhe auszieht, sondern eine beunruhigende Stille in der Stimme. Zu der Produktion kann ich noch nicht so viel sagen, da ich nur ein Vorabtape bekommen habe, es läßt aber schon einiges an Power erwarten. Testet LUZIFER SAMs Debut einfach einmal an.
Wertung: 12 Punkte (von 15 möglichen (Bedeutung: Volle Kanne))
von Claudio Flunkert
HEAVY METAL BREAKDOWN – Interview 1996/97
Auf dem just veröffentlichten Zweitlingswerk von LUZIFER SAM, welches ein Stilmix aus Wave, Doom und Gothic Metal ist und ´Luziidity´ heißt, ist eine interessante Interpretation des Eurythmicsklassikers „Here comes the rain again“ vorzufinden. Warum gerade dieses Stück und wie alles begann, brannte mir unter den Nägeln. Und so saß ich mit den beiden Bandmitgliedern Markus Sänger und Frank Stewen im vornehmen Cafe´Overbeck in Essen.
Wie habt Ihr Euch gefunden?
Markus: Außer unseren Bassisten Till kommen alle aus Witten. Wir kennen uns von der Schule und haben früher als 6-köpfige Band Wave gespielt. Seit 1992 gibt es die Band in dieser Form. Durch das Studium wohnen wir nun ziemlich verstreut. Ich bin jetzt in Mönchengladbach und der Frank in Dortmund zu Hause. Unser zentraler Punkt ist der Proberaum in Herne, wo wir uns 2-3 mal in der Woche treffen.
Wie wurdet Ihr entdeckt?
Frank: Irgendein Typ brachte unseren Produzenten Axel Ritt, der auch Gitarrenunterricht gibt, ein Tape von uns mit, um ein Stück zu lernen. Der Axel fand das Tape gut und setzte sich mit uns in Verbindung. Ende 1993 haben wir beim Axel unterschrieben als Verlag. 1995 kam unser erstes Album auf dem Markt.
Zur Zeit seid Ihr alle Studenten. Wenn Ihr jetzt Superangebot von einer großen Plattenfirma bekommen würdet, würdet Ihr das Studium hinwerfen?
Frank: Bis jetzt hat außer Holger, der kurz vor dem Abschluss steht, keiner von uns das Studium beendet. Trotzdem würden alle zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die Musik Vorrang hat. Man hat diese Chance nicht oft.
Wie kommen Eure Songs zustande?
Frank: Die musikalische Basis kommt von den Instrumentalisten, vor allen Dingen den Gitarristen. Unser Sänger Holger kümmert sich ausschließlich um die Texte. Wenn eine musikalische Idee da ist, und Holger schwebt auch schon etwas vor, singt er einfach mit. Später wird dies auf einen bestimmten Text fixiert. Wir sind alle sehr unterschiedlicher Meinung, das ist das Konstruktive an unserer Zusammenarbeit.
Nun ja, ich habe letztens Eure CD kritisiert und fand die Coverversion von ´Here comes the rain again´ total gut.
Markus: ´Here comes the rain again´ ist ein Song, der uns alle in der Jugend begleitet und uns inspiriert hat. Es kommt beim covern auf eine vernünftige Interpretation des Songs an. Das ist uns, glaub´ ich, ganz gut gelungen.
Was habt Ihr Euch für die Zukunft vorgenommen? Euer Support bei der Pyogenisis Tour hat leider nicht geklappt.
Frank: Wir versuchen jetzt auf Eigeninitiative uns bei Clubs und Agenturen reinzuhängen. Wichtig für uns ist, keiner kauft die Katze im Sack. Wir müssen live spielen und dies möglichst oft zu fast allen Konditionen. Leider hört man von Festivals viel zu spät, um sich dort anzumelden. Sie sind meist auch nur regional.
Story: Kerstin Zigank
15. Juni 1996
WERKHOF
Hohenlimburg
Die CHRONIK – Teil(chen) I
JUNI 1992
Nach der unschönen und nicht ohne böses Blut ablaufenden Auflösung der Waverock-Band FRIDAY IS SCRAPPED im November 1991, die für uns alle die erste Band war, die nicht nur in dunklen Probekellern die Freunde zu begeistern wußte, sondern den Weg auf die Bühnen fand und uns allesamt in den Zustand des Live-Musik-Machen-Wollen-Junkies versetzte, folgte eine mehrmonatige Phase des Abwartens, die im Großen und Ganzen der Tatsachen geschuldet war, dass Holger bis Juli 1992 seinen Wehrdienst ableisten mußte.
Es war im Juni 1992 als wir uns – nicht nur sicher, weiter Musik machen zu wollen, zu müssen – in unserer Stammkneipe und Ersatzheimat „KlimBim“ in Witten trafen und beschlossen eine neuen Band zu gründen. Die Musikrichtung stand nicht ansatzweise zur Debatte und bis heute gab es dieses stille Abkommen über Stile die absolut nicht eingschlagen werden durften, alles andere ergab sich dann schon.
Allesamt um die 20 herum (Holger 21, Lars 20, Frank 21, Markus 20) bezogen wir einen vom Platzangebot überaus großzügigen Proberau im 3. Stock des Herner Bunkers in der Amalienstraße. Mit 70 Quadratmetern toppte er für seine 290,- DM im Monat einfach jede Wohnung damals. Wenn er auch nicht wirklich in Punkto Hygiene und Ambiente punkten konnte. Die Toilettenbeleuchtung blieb gerade so lange an, dass man seine Notdurft in Höchstgeschwindigkeit – möglichst auch nur irgendetwas zu berühren – ausführen konnte, um schnellstens wieder in Richtung des heimelig notbeleuchteten Proberaumes zu gelangen. Wehe dem, der das Wagnis einging und sich auch noch die Hände unter dem tröpfelnden Rinnsal des Wasserkranes waschen wollte. Eine Bar aus rohen Maresteinen sowie eine sich Sitzecke schimpfende Pilzaufzuchtstation in Plüsch bilden den Eingang zu unserem Rifugium, welches wir in dieser Zeit zwei bis drei mal die Woche aufsuchten.
Eine der erste Proben im Sommer 1992 sorgte direkt dafür, dass wir uns während einer Samstagnachmittagsprobe bewußt wurden, dass das Gebäude trotz der dicke Mauern bis auf Gartemperatur aufheitzen konnte. Die wüstenähnlichen Temperaturen hatten zur Folge, dass wir das erste und bislang einzige Mal in unserer Geschichte in Unterhosen probten.
Elke – der leider sich selbst tätowierende Hausmeister des Etablissments – wies uns zum Glück darauf hin, dass ein wundervolles, lebenrettendes Luftzufuhrrohr aus unserem Raum durch den Flur, einen weiteren Raum und die meterdicken Bunkermauern nach draußen führte und uns auch in solchen heißen Phasen immer frische Luft garantierte. Leider haben die stets bekifften Metaller, deren Namen mir leider wirklich entfallen ist, aus dem durchkreuzten Raum unser Rohr kurzerhand im Drogenrausch durchtrennt, weil sie nicht wollten, dass ein Rohr durch ihren Raum geht. Nun … gut. Aus purem Dank haben wir dann einen der ihren, den sie wohl bei einem Gelage dort seit einem Tag vergessen hatten, aus seinem eigenen Proberaum befreit – bei offener Tür! Gott sind wir immer schon gut gewesen.
Oktober 1992
Der Notwendigkeit eines Namens bewußt, stellen wir uns verschiedenen Vorschlägen, beispielsweise dem FIELDS OF THE NEPHILIM-beeinflußten Vorschlag PREACHERMEN, der von den glühenden Fields-Verehrern Holger und Markus ins Rennen geschickt wurde. Lars ist es jedoch letztendlich, der eines Tages das erste PINK FLOYD-Album mit zur Probe bringt, auf dem der Titel „Luzifer Sam“ enthalten ist, hier den Namen einer Katze darstellend. Wir sind alleamt sofort begeistert vom Song und seinem Namen und bennen uns stante pede nach diesem Song.
Alle anderen die den Namen in Folge hören sollten, fanden ihn wenig überzeugend oder gar schecklich. Aber hey, wenn das nicht anspornt.
November 1992
Die frisch benannte Band LUZIFER SAM fährt für 3 Tage ins hessische Lippling in das Ferienhaus von Lars Eltern zwecks kreativen und exzessiven Saufens. In diesem gemütlichen Dreieckshaus, gelegen in einem Ferienpark entsteht zu winterlichen Außentemperaturen die später legendäre Zeile zum psycholelischen Teil von „Millennium“, welches nur live zu Ehren kommen sollte, die von einem schneebedeckten Hügel erzählte. Markus wird zu dieser Szene noch Jahre später behaupten, er habe überall Hamster auf schneebedeckten Hügeln gesehen, als die Band nachts noch einen Verdauungspaziergang machte. Weiterhin entsteht hier die Unplugged-Version von „Butterfly On A Wheel“, welche sich heute nict mehr auffinden läßt, was nicht wenige der damals Anwesenden als „von irgendwem gewollte“ Sicherheitsmaßnahme ansehen.
- Januar 1993
Alle Luzifers treffen sich am Abend im KlimBim in Witten – der Stammkneipe, besser des Ersatzwohnzimmers aller Bandmitglieder seit den Tagen des ersten öffentlich verzehrten Bieres – mit Björn Pinno, einem flüchtigen und eher zweifelhaften Bekannten aus Schultagen, der sich seit geraumer Zeit anschickte, Witten in Sachen Livemusik wieder etwas auf die Sprünge zu helfen. Pinno hat eine Konzertreihe in Planung mit dem vielversprechenden Namen „Witten lebt!“, zu dessen Auftakt LUZIFER SAM einen ersten Gig spielen sollen.
[Bild: KlimBim, Auftrittsvertrag Rock Forum mit Pinno]
- Januar 1993
An diesem kalten aber trockenen Mittwoch entstehen die ersten offiziellen Fotos von LUZIFER SAM vor der Linse von Thorsten Mücke, einem weiteren Schulfreund. Im Hotel Haus Hohenstein, dem damaligen Zuhause von Holger muss vor allem das Treppenhaus für den wenig entschlossenen erste Versuch herhalten. Holger mit Hut, Markus mit Palästinenser-Tuch, Lars in Jeans-Jacke und Frank im Strickpulli geben ein wenig geschlossenen Bild ab, jedoch nimmt dieses formal wenig gelungene Foto im Bild bereits einige der musikalischen Experimente der nächsten Jahre vorweg.
- Januar 1993
Die Band hat ein Gespräch mit dem bis heute nachnamenlosen Matthias vom Schwedenheim in Witten, einem alternativ geprägten Jugendzentrum an Rande von Wittens Wäldern, um einen weiteren Auftritt klar zu machen.
- Januar 1993
Die ersten LUZIFER SAM-Aufnahmen werden gemacht. Nicht als offizelles Demo, sondern vielmehr als Radiowerbung für das erste Konzert gedacht, ist der technische Aufbau mehr als provisorisch. Toningenieur Reinhard Schulte, einen Bekannten von Björn Pinno, schleppt sein ganzes Equipment
in den Probenraum nach Herne. In einem wilden Kabelgewirr finden „Dark Substance“ – der später meistaufgenommene LS-Song- und „Silent Grave“ den Weg auf Band. Die Aufnahmen kosten zahme 150,- DM, die jedoch damals bereits eine ganze Stange Geld darstellten, bekamen man doch pro Nase etwa 20 Pils im KlimBim dafür. Die – bedenkt man die Umstände – doch ganz passabel klingenden Songs werden später im Lokalradio als Teaser für das Kontert gesendet.
- Februar 1993
In diesen Tagen der „ersten Male“ wird auch das erste Interview aufgezeichnet. Und zwar im Studio des Krankenhaus-Funks in Witten für den Lokalradiosender Radio EN. Die Sendung ist ein Double-Feature von LUZIFE SAM und BODY LOST ITS SIZE, die ebenfalls bei „Witten lebt!“ auftreten werden. Pinno – der Jahre später seinen Weg als Radiomoderator und Außenreporter bis zu WDR 2 schaffen sollte – ist als Veranstalter auch gleichzeitig der Moderator der Sendung.
[Bild von Pinno und BODY LOST ITS SIZE]
- Februar 1993
Frank und Holger geben – wieder zusammen mit BODY LOST ITS SIZE – das zweite LUZIFER SAM-Interview. Dieses Mal ist es ein Live-Interview in einer Sendung von Radio-EN.
[Abdruck des Interviews ]
- Februar 1993
Das aufgezeichnete Interview vom 1. Februar wird auf Radio-EN zwecks PR für das Konzert ausgestrahlt. Während der Sendung wird auch Musik der teilnehmenden Bands eingespielt, was das erste Airplay für zwei LUZIFER SAM-Songs bedeutet. „Silent Grave“ und „Dark Substance“, die Aufnahmen vom 26. Januar, verstreuen den spröden Charme einer wirren und provisorischen Bunker-Aufnahme, was aber völlig egal ist, denn alle sind stolz wie sonst was, endlich die eigenen Songs im radio zu hören.
- Februar 1993
Nach nunmehr sieben-monatigem Bestehen entern LUZIFER SAM zum ersten Mal die Bühne, und zwar als Opener für das 2. „Witten lebt!“-Festival im Wittener Albert-Martmöller-Gymnasium, welches der Band bestens vertraut ist. Sind doch alle Musiker hier bis vor einem, bzw. zwei Jahren zur Schule gegangen. Im Programm finden sich noch teilweise Songs aus alten FRIDAY IS SCRAPPED-Zeiten, aus falscher Nostalgie, wie sich später herausstellt, da schon kurze Zeit später wesentlich LUZIFER SAM typischere Titel entstehen.
Als zweite Band spielen BODY LOST ITS SIZE vor der Crossover-Formation SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT, die dem Zeitgeist entsprechend eine Art CHILI PEPPERS-Clon sind und durch ausgefallene Kleidung, sowie affektiertes Rumgehampel ihre durchaus überzeugende musikalische Leistung überdecken.
Etwa 200 – 230 Zuschauer verfolgen das Konzert. Da die Gage von LUZIFER SAM aus 15 % der Eintrittsgelder besteht, fließen an diesem Abend 400,- DM in die Bandkasse.
Setlist:
- Here Comes Blasphemy (FIS)
- Delirium II
- Dark Substance
- New Trivial Thoughts (FIS)
- Beyond The Lines
- God Of Dismay (FIS)
- Embryonic Womb Walk
- Millenium
- Alice Dee
- Silent Grave
- Return To Hate
- Bones
- It`s A Sin (Pet Shop Boys)
[Artikel Coolibri über „Witten lebt!“ ]
- März 1993
Das zweite Konert von LUZIFER SAM steigt im Wittener Schwedenheim um 20:00 Uhr. Als Vorgruppe spielen JAGHAMMA mit Ecki Eckartz, dem Schlagzeuger der legendären LUNATIC ASYLUM. Es wird ein ziemlich spaßiger Auftritt, übrigens der erste mit Nebelmaschine, welche aber erst am Schluss eingesetzt werden kann, da der kleine und enge Laden keinen wirklichen Luftabzug hat. Aufgrund von fehlender Werbung kommen nur etwas 30 Zuschauer, was der Band neben 150,- DM Gage eine gute Chance zur Übung bietet. Die Setlist sieht größtenteils so aus wie beim ersten Gig im AMG, nur in veränderter Reihenfolge und ergänzt durch das neue „Time And Again“.
[Bild: Schwedenheim]
Ende März 1993
Die Band bewirbt sich mit dem selbstgemachten Tape von Rainhardt Schulte bei einer Ausscheidung für die Maitage und einen Platz auf der dazugehörigen CD. Natürlich wird daraus nichts, da die Aufnahmen zum einen doch recht spärlich sind, der Name LUZIFER SAM zum anderen zum ersten Mal seinen düsteren Schatten des Vorurteils über die Band legt und die Songs für Wittener Verhältnisse schlicht zu hart sind.
Mai 1993
Mit den gleichen Aufnahmen bewirbt man sich auch für WITTEN TOTAL und wird prompt engagiert. Da die vier Musiker mit FRIDAY IS SCRAPPED bereits 1991 bei diesem stadtfüllenden kleinen Bruder von BOCHUM TOTAL aufgetreten waren, hatten die Damen vom Kulturamt Witten, Doris Plakolmer und Iris Müller, sogar schon auf die Bewerbung von LUZIFER SAM gewartet.
[Vertrag WITTEN TOTAL]
- Juli 1993
Da ohne richtiges Demo nichts läuft und auch die heißersehnten Auftritte auf sich warten lassen, geht LUZIFER SAM an diesem Wochenende – vom 2. bis zum 4. Juli – zum ersten Mal ins Studio. Die Wahl fällt auf das Banana-Studio in Hagen, das von Hans-Georg „Haan“ Plattke, dem Schlagzeuger der Bochumer Band und Institution HARTMANN betrieben wird. Hier entsteht bei sommerlich drückenden Temperaturen das erste Werk: „A Failed Effort To Putsch“. Das 16-Spur-Demo wartet mit 4 Tracks auf:
- „Disfigured Age“
- „Time And Again“
- „Dark Substance“
- und „Alice Dee“
Mit Tetris, Badminton und Pizza hält man sich bei Laune und stellt die Arbeiten nach stundenlanger Arbeit um 22:30 Uhr am Sonntagabend fertig.
- Juli 1993
Die Band ist wieder im Studio. Dieses Mal um die Aufnahmen von letzter Woche mit Haan abzumischen. Das Mastertape und zunächst 100 Kassetten, samt Beschriftung kosten zarte 1300,- DM.
Ende Juli 1993
Es gibt erste Überlegungen und Versuche die Musik mit Backgroundgesang zu „bereichern“.
[Bild: Artikel „The show must go on“ zu WITTEN TOTAL]
Programmheft WITTEN TOTAL 1993
LUZIFER SAM
… show must go on
Nachdem wir im letzten Jahr noch die Wittener Band FRIDAY IS SCRAPPED vorgestellt haben, hatte die Band dummerweise nichts Besseres zu tun, als sich umgehend aufzulösen. Gott sei Dank haben sie aber die Gitarren, Bässe und anderes Equipment nicht an den Nagel gehängt, sondern formierten sich neu und heißen jetzt LUZIFER SAM. Textlich immer noch an düsteren Themen interessiert, hat die Musik doch ein wenig an Härte gewonnen. Bestimmt ein interessanter Opener für ein Bühnenprogramm, welches mit Vorurteilen über Elektronik und Wave aufräumen wird.
- August 1993
Das dritte Konzert von LUZIFER SAM startet um 17:00 Uhr in brütender Sommerhitze auf Bühne 3 auf der unteren Bahnhofstraße in Witten im Rahmen von WITTEN TOTAL 1993. Trotz des vorangegangenen Gyros-Essens im Ardeygrill und trotz der nicht wenigen Biere im KlimBim vorher, ja und selbst trotz der sengenden Sonne, die allen Beteiligten nicht unwesentlich zusetzt, spielt die Band ein durchweg überraschend gutes Set und wird vom zahlreich erschienenen Publikum bestens aufgenommen.
Der vom Mischpult aus mitgeschnittene Auftritt belegt später sehr gut, warum allen außer Holger, die Mikros, die eigentlich die zweiten Stimmen bei LUZIFER SAM etablieren sollten, wieder weggenommen wurden. Der Mischer hat ein Einsehen und pegelt alle Background-Mikros während der Songs runter, was Lars zwischen den Songs nicht daran hindert vollmundig seine Klümpchen-Wurf-Aktion anzukündigen, welche er später auch mit Hilfe von zum Wurfgeschoss umgewandeten Hansa-Pils-Dosen umsetzt.
Die Songs kommen flüssig, auf den Punkt und obschon Markus wieder einmal durch das freigesetzte Arenalin, welches ihn bei Live-Gigs zeit seines Lebens euphorisieren sollte, wieder mächtig aufs Gas drückt und seine Mitmusiker an den Rande ihrer Fähigkeiten treibt, wird dieser Gig – 15 Jahre später von Holger digitalisiert – als einer der besten in Ton dokumentierten Auftritte von LUZIFER SAM in die Geschichte eingehen und post mortem als ein Vermächtnis auf der Live-CD „A Failed Effort To Putsch – Live“ verewigt.
Nach diesem bisher weitaus besten Gig, der wie bisher alle von Holger Bartz auf Film gebannt wurde, treten auf der Bühne 3 noch 2ND DECAY um die kongenialen wie verrückten Purwien und Sippel, PSYCHE aus Kanada und THE ETERNAL AFFLICT aus Essen auf. Ganz lustig ist es im Übrigen, dass nach dem LUZIFER SAM-Auftritt der Himmel seine Pforten öffnet und mit heftigem Regen und Blitzen eine von nun an gute Open Air-Tradition von LUZIFER SAM begründet, die auch nach über 10 Jahren von der Nachfolgeband PORTER noch zelebriert werden wird: wähend oder nach dem Gig wird es unweigerlich regnen.
Setlist:
- Disfigured Age
- Embryonic Womb Walk
- Here Comes Blasphemy
- Dark Substance
- Time And Again
- Alice Dee
- Beyond The Lines
- Millenium
- Silent Grave
Mitte August 1993
Der zweite Versuch vernünftige Fotos zu machen wird gestartet. Heute versucht Marco Nagel sein Glück als Fotoraf. Keiner der Beteiligten weiß zu diesem Zeitpunkt, daß Marco Jahre später nach seinem Studium eine erfolgreiche Fotorafenkarriere in München ereilen wird. Die Band fährt mit ihm – völlig dem damaligen Klischee entsprechend – auf einen alten Friedhof an der Hohensyburg nach Dortmund und nach Hohenlimburg zu einem alten Turm, der der Familie Böing gehört, mit dessen Tochter Anne Böing Frank in dieser Zeit liiert ist und deren Bruder Till keine zwei Jahre später bei LUZIFER SAM als Bassist einsteigen sollte. Die Ergebnisse dieses Shootings sind immer noch wenig zufrieden stellend aber imerhin sind einige vorläufig verwertbare Bilder darunter.
Ende August 1993
Ein gewisser Axel Ritt von Humbucker Music aus Darmstadt schreibt uns, dass er über irgendwelche Umwege, über einen Mark Schönfeld, ein Tape von uns in die Hände bekommen hat und die Musik ziemlich gut fände. Mit der Bitte, ihm genauere Infos über uns zukommen zu lassen, macht er uns ziemlich neugierig.
[Abb.: Brief von Axel]
- September 1993
Der vierte Auftritt ist – der Jahreszeit entsprechend – wieder ein Open Air. Und diesmal wieder im Schwedenheim. Björn Pinno hat fünf Band engagiert, um mit dem „2. Summertime-Jam“ viele Leute anzulocken. Tja, nur leider laufen ausgerechnet an diesem Tag diverse Veranstaltungen parallel und es regnet in Strömen – alles andere würde uns auch nicht gerecht werden. Ziemlich blöd für ein Open-Air. In folgender Reihenfolge treten die fünf Bands ab 18 Uhr auf:
LUZIFER SAM, BODY LOST ITS SIZE, KING SIZE (Frankreich), BLOW BEAT (Holland), SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT. Da wir nur für Bier und Spaß spielen, ist es das erste Mal seit der Zeit von FRIDAY IS SCRAPPED, dass die Band – insbesondere Lars und Markus – mal wieder reichlich angentrunken auf die Bühne geht. Somit wird der Abend zur spaßigen Angelegenheit, was jedoch dem musikalischen Ergebnis nicht zuwider läuft, ebenso wie das bandübergreifende Besäufnis nach dem Konzert. Der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sehr hoch in unserer Gunst sehende Pinno, hat an diesem Abend schätzungsweise 5000,- DM Verlust eingefahren. Ein positives Resumee an diesem Abend stellt der Kontakt zu der französischen Band KING SIZE dar, mit der wir uns in unglaublich abenteuerlichem Englisch, bei besagtem Besäufnis bestens unterhalten haben.
- September 1993
Der WDR erwirbt die Senderechte an „Time And Again“ und Flora Jürgens spielt den Song auf WDR 1 um 21:55 Uhr in Ihrer Sendung SOUNDFABRIK, die als eine der wenigen Bastionen der Independent Musik zum damaligen Zeitpunkt, einen zweifelsfreien Leumund genießt, und lobt die Musik als „eine treffende Mischung aus Wave und hartem oder schweren Rock“. Die Senderechte bringen und das bescheidene Honorar von 50,- DM. Die Band verfolgt das bisherige Highlight in der Bandgeschichte geschlossen in der Kellerbar von Markus` Eltern. Da „Time And Again“ in der Demo-Version jedoch über 5 Minuten lang ist und die Nachrichten des WDR pünktlich um 22:00 Uhr zuschlagen, kann man an diesem Abend dem einmaligen Zusammenbruch von Lars beiwohnen, der mit anhören muss, wie die Übertragung des Songs, durch die Nachrichten exakt in der Sekunde vor seinem heißgeliebten Solo unter- und abgebrochen wird.
… to be continued …