Nun ist er also gegangen. Nach monatelangem und beispiellosen Kampf hinterlässt ein ebenso sturer wie liebenswerter Sauerländer die Bühne und hinterlässt eine klaffende Lücke bei denen die ihn kannten und liebten.
Micha ist weg. Und ich bin froh, dass ich ihn kennenlernen durfte. Ihn, der die sozialen Medien so sehr verabscheute, wie er allzu viele Menschen auf einem Haufen mied. Auf den ersten Blick ein absoluter Eigenbrötler, auf den zweiten ein stetig moppernder Grantler, auf den dritten eine Seele von Mensch mit einer sehr eigenen Meinung.
Ich kannte ihn leider nur ein paar Jahre und bestimmt nicht in all seinen Facetten und die Gelegenheiten, zu denen wir uns trafen, hatten zumeist feierlichen Charakter oder eben den Umstand unseres wöchentlichen Stammtischs. Es gibt gewiss viele, die ihn wesentlich länger kennen, bereits seit es ihn aus dem Sauerland ins Ruhrgebiet verschlagen hat, aber ich denke, ich hatte einen guten Draht zu ihm.
Keiner meiner Freunde hat mehr Konzerte von mir besucht, als Micha. Abgesehen davon, dass er unser Album Wolkenstein als anonymer Spender mitfinanziert hat – wie gesagt, er hasste soziale Medien und zuviel Aufmerksamkeit seine Person betreffend – habe ich ihm mitunter die scharfsinnigsten Feedbacks unserer Konzerte zu verdanken.
Ich denke, Micha hätte sich nie als Nerd bezeichnet, doch auf die positivste Interpretation dieses Begriffs war er für mich ein Nerd. Er war nie monothematisch, doch geradezu penetrant hinsichtlich der Missionierung der Welt, wenn es um den technischen Klang von Musik geht. Ich denke, falls ich jemals einen neuen Kopfhörer kaufen sollte, werde ich mich nach Stax – ich weiß nicht einmal, wie man diese Marke schreibt, obschon ich den Namen gefühlt 2000 mal gehört habe – erkundigen. Und ich werde niemals mehr die Queens Of The Stoneage hören, ohne an Micha zu denken. Seine Verehrung für den Mitschnitt eines ihrer Konzerte ist Geschichte.
Micha war in der Tat einer der wenigen positiven Pessimisten, die ich kenne. Noch im letzten Jahr planten wir einen eigenen Blog, um unserem Missfallen über schrecklichste Mainstream-Musik a la Rihanna und Max Herre und überhaupt all diese uninspirierte Scheißmusik da draußen Ausdruck zu verleihen. Natürlich gab es auch Dissenzen – ein Wort, das niemand so natürlich gebrauchte, wie Micha – zwischen uns, bezüglich hörbarer Musik, ich sage nur Distelmeier. Aber seine Ablehnung kam von Herzen und somit akzeptierte er meine.
Micha war ein Mensch mit einem unfassbaren Dünkel auf sein Studium. Mit diesem trieb er mich soweit, dass ich 2010 mit ihm gewettet habe, dass ich binnen 10 Jahren meinen Doktor machen würde. Nur, um ihm zu beweisen, dass das eine reine Fleißarbeit ist. Der Einsatz war sein Lieblingsbier. Eine Kiste Krombacher. Irgendwie hat er jetzt final gewonnen.
Ich habe Micha in Lebensphasen kennen gelernt, in denen er gewiss nicht immer glücklich war und man sah ihm seine Sorgen durchaus an. Nichtsdestotrotz hatte er am Ende einen Menschen an seiner Seite, auf den er stolz sein konnte. Bis ganz zum Ende.
Ich bin froh, dass ich ihn vor ein paar Tagen noch einmal sehen, sprechen konnte – auch um ihn an unsere Wette zu erinnern. Was ich im Leben nicht vergessen werde, ist sein trockener Humor, den er sogar zu äußern in der Lage war, als er eigentlich nicht mehr über die geeigneten Mittel verfügte. Es wäre zu pathetisch zu behaupten, er hätte bis zu seinem letzten Atemzug die wahren Spießer verlacht, aber auch nicht ganz weit weg von der Wahrheit.
Ich persönlich werde den 27. Januar ohnehin niemals vergessen, da an diesem Tag im Jahr 2011 auch mein Vater verstarb. Und irgendwie möchte ich glauben, dass ich diesen Tag eines Tages als einen guten Tag ansehen kann. Ein Tag an dem nun bereits 2 gute Menschen gingen, die nicht nur mir etwas bedeuteten. Vielleicht wird aus diesem Tag der Trauer mit der Zeit ein Tag des Friedens.
Werde ich Dich vermissen Micha? Oh ja, das werde ich. Bescheuerter Weise bist Du einer von den Menschen, die man kennenlernt, ein zeitlich nur kurzes Stück des Weges begleitet, und am Ende aller Tage bemerkt, dass man viele Dinge nicht gesagt und nicht getan hat. Das scheint zwar beinahe immer so zu sein, aber in Deinem Fall , Du sturer Bock, Du alter Stiesel, Du nerdiger Sauerländer, Du gutes Herz, wird genau das bei mir dazu führen, dass ich Dich niemals vergessen werde. Keiner Deiner Freunde wird Dich je vergessen.
Und wir zwei Atheisten wissen, das ist es was bleibt. Was mich gerade trotz allem zum Schmunzeln bringt, ist die Tatsache, dass Du meinen Text aufgrund der Kommasetzung oder der ein oder anderen Formulierung gewiss zerpflücken würdest, alter Korinthenkacker… Und ich würde es lieben.
Ich wünsche Dir, dass sich alle Deiner erinnern so lange sie leben und zwar so, wie Du warst. Unangepasst, eigen, stolz und lustig.
Wegen Dir werde ich jeden Samstag, sollte ich die Straßenseite wechseln, ein breites Grinsen auf dem Gesicht tragen. Irgendwann.
Mach ’s gut Micha.
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