Wir sind alle so unendlich echtzeitlich miteinander verbunden. Ganz und völligst egal, ob wir uns real Angesicht zu Angesicht nun kennen oder nicht. Das an sich sehr private Gefühl von Nähe, noch vor ein paar Jahren untrennbar mit dem Privileg verbunden, sich zumindest in einer alltäglichen Situation einmal wenigstens für kurze Zeit nahe gestanden zu haben, kann sich inzwischen mitunter mithin von ein paar in den richtigen Momenten ausgetauschten Zeilen einstellen. Fuuuurchtbar. Oder?
Nein, ich denke nicht. Klar, das ganze hat eine definitiv andere Qualität als „früher“. Dennoch kann ich einem Menschen, den ich „lediglich“ über Twitter „kenne“ (merkt Ihr die ganzen An- und Ausführungszeichen?) extrem dankbar und somit auch in den besten Absichten verbunden sein, den ich niemals wirklich gesehen habe, den ich niemals sprach oder derlei. Ich selbst habe das – ich sprach bereits darüber – in der Nacht, in der mein Vater starb erlebt. Es war die Anteilnahme, die kein Freund – vielleicht sogar wegen der fehlenden privaten Nähe – hätte leisten können. Es war die eine Sekunde da ich Beistand benötigte und ihn über`s Netz erfuhr. Von einem Menschen.
Inzwischen haben sich aus so manchen getippten Worten echte Beziehungen ergeben – Freundschaften! Das ist absolut grandios, aber auch in den Fällen, wo dies (vielleicht noch) nicht passiert ist, gibt es eine ganz besondere Verbindung. Oft ist dies der Umstand, dass man Dinge teilt. Dinge wie Vorlieben, Bands, Fußballvereine, den Hang zu Wortspielen, politische Abneigungen. Die Gründe sind mannigfaltig – und egal was dieses seltsame zum Erfolg verdammte Twitter sich noch an Algorithmen ausdenkt, die niemals jemand haben wollen wird, dies ist die Plattform auf der Fremde, echt Fremde zu Freunden … oder wenigstens zu Bekannten werden, die man respektiert. Dieser Respekt ist das, was man im realen Leben von flüchtigen Begegnungen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erhalten wird.
Glorifiziere ich hier schon wieder die Plattform, die einen aufgrund des Konzepts limitiert? Das Medium, das mir jeden Morgen vorschreibt, was ich zu lesen haben, da ich es ja verpasst haben könnte (obwohl ich einfach NUR / IMMER / AUSSCHLIESSLICH chronologisch lesen möchte)? Ja, mag sein. Bestimmt. Gewiss. Ist aber auch scheißegal. Denn hier lese ich all die wundervollen Menschen, mit denen ich nicht wirklich das Leben, aber eine Art der Lebenswirklichkeit teile, die Marvel mir mit den ganzen Parallelwelten stets vorgaukelt.
Fakt ist, dass ich Euch, liebe Twittergemeinde stets Dinge glaube erzählen zu können, die im Alltag mitunter keinen Platz haben. Seien sie zu abseitig, schmonzettig, radikal oder einfach wirr. Ich denke Twitter ist dieser Testballon, den viele Menschen nicht haben und daher mit Dingen einfach hinter dem Berg halten. Diese Scham – liebe Gemeinde – haben wir zum Glück abgelegt.
Mädels, Jungs, alle dazwischen und sogar die Typen, die ich wahrlich kacke finde … es ist gut, dass wir auf dieser Basis kommunizieren können – meistens. Viele Länder dieser Welt bieten diese Möglichkeit nicht. Daher bin ich sogar glücklich mit meinen politischen Feinden einfach so reden zu können. Das ist verdammt viel Wert.
Aber: ich rede immer noch so ungleich viel lieber mit meinen emotionalen Freunden – und für Euch ist dieser Text!
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