Der Newstag begann mit einer so lustigen wie egalen Randnotiz: Der HSV wird – zumindest in den nächsten 15 Minuten – von Bruno Labbadia trainiert werden. Dann kam die traurige Nachricht, dass Klaus Bednarz, einer der wirklich großen und großherzigen Journalisten gestorben ist. Die Stimmung kippte sogleich ins Minus.
Dann aber die Nachricht, die beinahe alle Titel, Newsbreaks und Schlagzeilen an diesem Tag beherrschen sollte: Jürgen Klopp bittet vorzeitig um Vertragsauflösung bei Borussia Dortmund! Argh! Das sitzt. Ich – als BVB-Fan – werde sogar von Schalkern bedauert und beinahe alle um mich herum, sehen sich entweder die Pressekonferenz an oder googlen ein paar Hintergründe, um hier mitreden zu können. Aktienkurse fallen, man lechzt nach einem postnachrichtlichen Brennpunkt.
Ich gestehe, ich habe einen Klopp – pardon – eine Klopps im Hals, denn … aber alles was nun kommen könnte, ist scheißegaler Fanpathos. Denn parallel zu diesem Sportereignis findet im Mittelmeer ein weiteres Drama statt. Ein wirkliches Drama. Eines, das heute mindestens 400 Menschen das Leben kostet. Das Leben! Sie sterben. Ein von Libyen aus gestartetes Boot kentert und namenlose, wie ungezählte Flüchtlinge ertrinken in dem Meer, das uns Jahr für Jahr zum Sommerurlaub die schönsten Strände offeriert.
Und was tun unsere von uns boulevardisierten Medien – leider auch jene, von mir in der Tat als den Qualitätsjournalismus aufrecht erhaltend angesehenen Zeitungen, Sender, Stationen – an diesem Tag? Sie berichten von Jürgen Klopps – absolut ehrhafter – Entscheidung. Und von beschissen egalen Aktienkursen. Und warum tun sie das? Weil wir, wir, wir, weil wir alle darüber lesen, sinnieren, weinen und schimpfen möchten. Weil wir nichts davon wissen wollen, auf wessen Kosten wir leben, wie andere Menschen (ja, Menschen) leben müssen auf dieser Welt. Wie Menschen verrecken, nur weil sie nicht leben und sterben wollen, wie man halt so stirbt als Mensch jenseits unserer Möglichkeiten in Europa.
Schuld trägt hier natürlich nicht Jürgen Klopp, Schuld trägt hier kein Journalist, Schuld trägt hier kein Sender, kein Medium. Schuld trägt hier nicht einmal das eitrige Furunkel der Journalistengosse, die BILD. Die Schuld tragen wir! Die Masse, die Mehrheit der Leser, Zuhörer, Zuseher und Surfer! Wir alle – immer in der Masse gesehen – wollen es so! Wir wollen genau das sehen, was man uns hier präsentiert. Wir wollen ja scheinbar sogar das Dschungelcamp, Newtopia und Retortenmusik. Es ist nicht mehr und nicht weniger als Angebot und Nachfrage! Und wir, wir – verdammt noch mal – WIR sind der Markt, wir bestimmen, was uns vorgesetzt wird.
Und offensichtlich sind wir ein reicher, tumber, ungebildeter, rassistischer, nationalistischer, sexistischer, egozentrierter Markt. Wir sind der Mob. Wir sind Klatschvieh. Wir sind eine Klickrate. Wollen wir das wirklich sein?
Meint Ihr nicht auch, langsam, so ganz, ganz langsam reicht es mal mit Oberflächlichkeit? Habt Ihr nicht auch so ganz langsam das Gefühl, dass es an der Zeit ist, die Krallen auszufahren und die eigene Marktmacht einzusetzen?
Meint Ihr nicht auch, es reicht?
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